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Beitrag vom 08.09.2005
E-Interview mit Monika Christann - Wen Frauen warum wählen sollten... - Teil II
Ilka Fleischer
Anlässlich der vorgezogenen Neuwahlen befragten wir auch die Bundessprecherin der Feministischen Partei DIE FRAUEN, zugleich Bundes-Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte bei ver.di.
Hier geht´s zum ersten Teil des Interviews...
Ilka Fleischer: Frausein allein ist kein Programm, heißt es. Laut einer Forsa-Umfrage wollen jedoch 5 Prozent der Wählerinnen wegen der Kandidatur einer Frau CDU wählen. Nach einer Untersuchung der Forschungsgruppen Wahlen liegt "Schröder" dennoch bei Frauen vorn. Worin hebt sich die Frauen- und Gleichstellungspolitik Ihrer Partei inhaltlich von der anderer Parteien am meisten ab? Welche frauen- und gleichstellungspolitischen Vorhaben stehen auf Ihrer TOP-3-Liste ganz oben?
Monika Christann: Wir unterscheiden uns inhaltlich von anderen Parteien, indem wir feministische Ansätze in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Die bisherige patriarchale Politik ist einseitig, weil sie im Allgemeinen Frauen und ihre unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse nicht berücksichtigt. Sie verhindert eine ausgewogene soziale Politik und zerstört gesunde Lebensgrundlagen auf einer intakten Erde, weil sie sich ausschließlich an Profit und Wirtschaftswachstum orientiert. Frauen werden bestenfalls in ihrer Rolle als Mutter gesehen - und zwar unabhängig davon, ob sie Kinder haben wollen/können oder nicht.
Meine TOP-3-Liste ist:
* Geschlechtsspezifische und unbezahlte Versorgungsarbeit aufheben.
* Eine von Erwerbsarbeit und Einkommen abgekoppelte Existenzsicherung und die Rückkehr zu solidarischen Sicherungssystemen.
* Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder.
Ilka Fleischer: Welche frauen- und gleichstellungspolitischen Risiken oder Rückschritte erwarten uns, wenn Ihre Partei in der kommenden Legislaturperiode nicht (mit) regieren würde?
Monika Christann: Fraueninteressen werden weiterhin nicht vertreten sein. Frauen werden wieder vermehrt in die Abhängigkeit getrieben. Forderungen der Union, dass Frauen nur Arbeitslosengeld erhalten sollen, wenn sie mindestens 15 Jahre durchgehend einer Erwerbsarbeit nachgegangen sind, sind eine Katastrophe für Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit auf Grund von Kindern oder sonstiger Versorgungsarbeit unterbrechen müssen/wollen. Das Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft wird es wieder nicht geben. Traditionelle und anachronistische Strukturen werden gestärkt werden, parallel werden die Armut und die nachfolgende Altersarmut von Frauen zunehmen. Das Thema "unbezahlte Arbeit" und "Gewalt gegen Frauen und Kinder" wird wieder nicht ernsthaft behandelt, Ehegattensplitting trifft sich mit den drei "K"s: Kinder, "Karriere in der Familie", Kirche. Kinderlose Frauen - ob gewollt oder nicht - werden bestraft, indem sie Familien mitfinanzieren (sog. "Familienkasse"). Die Maskulisten werden sich im Sorgerecht durchsetzen und Kinder werden vermehrt sexualisierter Gewalt ausgesetzt sein. Das Thema "Mehr Stimmen für Eltern, die Kinder haben" bei Wahlen wird vermehrt diskutiert werden. Die Kommerzialisierung und Ausbeutung der Fruchtbarkeit der Frau durch verfeinerte Fertilitätspraktiken in der Gen- und Reprotechnologie wird voranschreiten.
Ilka Fleischer: Mit 68 % lag die Wahlbeteiligung der 21- bis 24-jährigen Frauen knapp unter der allgemeinen Wahlbeteiligung und die Wahlbeteiligung der Frauen ab 70 lag deutschlandweit 9,2 Prozentpunkte unter jener gleichaltriger Männer. Was plant ihre Partei für Frauen dieser Altersgruppen? Warum könnte sich der Gang zur Urne dieses Mal für "Jung und Alt" lohnen?
Monika Christann: Zunächst - es lohnt sich immer, eine Partei zu wählen, die eindeutig, ohne Wenn und Aber, Partei für Frauen ergreift. Da gibt es unzweifelhaft nur Eine, das sind wir. Wir stehen für die uneingeschränkte soziale Absicherung aller Altersgruppen, unabhängig vom Erwerbseinkommen. Das betrifft die in Ausbildung befindlichen genauso wie die Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter. Ein Leben in Würde ist unser Ziel.
Für die Jugend fordern wir eine Ausbildungsplatzabgabe. Wenn die Wirtschaft gut ausgebildete Menschen haben möchte, muss sie selbst dafür Sorge tragen, denn sie ist in erster Linie die Nutznießerin. Keine Reduzierung und Zurichtung der Bildung auf reine Wirtschaftsinteressen, vor allem keine Privatisierung der Hochschulen. Eine Durchlässigkeit der Schulsysteme und der Hochschulen und Fachhochschulen ist ebenfalls wichtig, da gerade auch junge Menschen sich orientieren müssen und dies ein längerer Prozess ist. Das Antidiskriminierungsgesetz ist auch für junge Frauen wichtig, wenn Jungen wegen ihres Geschlechts beim Zugang zu Ausbildungsplätzen und später bei der Besetzung von Arbeitsplätzen vorgezogen werden.
Gerade für Ältere Menschen ist es wichtig, eine kostenlose Gesundheits- und Pflegeversorgung erhalten zu können. Dabei ist uns die Selbstbestimmung, wenn es um Pflege geht, ein besonderes Anliegen. Das Pflegegeld sollte an die Person gehen, die sich Pflegebedürftige selbst ausgesucht haben. Eine Pflege nach Zeiteinheiten ist menschenunwürdig. Alternative Wohnformen, in der Alt und Jung zusammen leben können, oder Wohngemeinschaften sind besonders zu fördern. Wir wollen alte Menschen nicht abschieben, sondern mit großem Respekt am sozialen Leben weiterhin teilnehmen lassen. Auch die uneingeschränkte Mobilität muss uns ein Anliegen sein. Das Wissen der Alten ist ein Reichtum für die Gesellschaft. Das Antidiskriminierungsgesetz soll auch bei Diskriminierung im Alter helfen, z. B. wenn ältere Menschen bei der Wohnungssuche diskriminiert werden oder keine Lebensversicherungen mehr abschließen dürfen.
Ilka Fleischer: Vielen Dank, Frau Christann!
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